Kalyana Yoga

Yoga und Diät

nackte Füße auf einer Waage

Neulich in der Yogastunde

Zu Beginn einer Yogastunde gebe ich sehr gerne einen möglichst einfachen, philosophischen Impuls, um bewusst aus dem Leistungsdenken des Alltags auszubrechen. Mein Ziel dabei ist es, den TeilnehmerInnen einen mentalen Anker zu geben, der sie durch die Stunde begleitet.

Dieses Mal: Tapas – das innere Feuer, die Glut und Leidenschaft für Yoga. Aber auch: Disziplin und Verzicht. Tapas spielt insbesondere im philosophischen Quelltext Yoga Sutra eine wichtige Rolle und taucht an mehreren Stellen auf.

Für mich ist Tapas auch die große Freude, seit so vielen Jahren Yoga zu erfahren und den Weg mit viel Leidenschaft und Begeisterung durch Höhen und Tiefen zu gehen. Dafür stehe ich in der Regel etwas früher auf und investiere einiges in Aus- und Weiterbildungen. Ich verzichte immer wieder mal auf Freizeit und bleibe dran.

Lagerfeuer
Ein Lagerfeuer als Bild für Tapas

Bedeutet Tapas Diät halten?

Auf der Suche nach einem weiteren Beispiel aus dem Alltag, sind wir in der Yogagruppe schnell beim Thema Diät angekommen. Und zwar nicht bei den yogischen Ernährungs-Empfehlungen, sondern ganz einfach bei der Diät zum Abnehmen.

Besonders häufig tauchen die Empfehlungen zum Jahresanfang (Stichwort: Neujahrsvorsätze) und dann im Frühjahr (Stichwort: Bikinifigur). In der Regel werden in Zeitschriften, Werbung, Social Media, etc. insbesondere Frauen aufgefordert, aktiv zu werden. Es gibt nichts, was es nicht gibt: Apps zum Abnehmen, Keto Diät, Glyx Diät, Kohl Diät, Atkins/Low Carb Diät, High Carb Diät, Mittelmeer Diät, 5:2 Diät, Trennkost und so weiter und so fort…

Weißer Teller mit Salatblatt und Besteck, Frauenoberkörper mit weißem Top im Hintergrund
Diät ja oder nein?

Yoga ist nicht gleich Yoga

Tapas als Empfehlung, sich zu kasteien und strenge Diät zum Abnehmen zu halten? Hmmm? Kann das sein?

Im ursprünglichen Sinne von Yoga ist es sinnvoll, eine gewisse Diät einzuhalten, insbesondere vor einer Hatha Yogastunde nicht schwer und viel zu essen, stark verarbeitete Lebensmittel zu meiden und sich zu mäßigen. Extreme zu meiden (viel Zucker, Salz, Alkohol) und den Körper und Geist nicht zu belasten. Den Körper mit gesunder Nahrung zu versorgen und zu pflegen.

Wichtig sind hier auch die Lebensumstände, unter denen damals geübt wurde: zu Patanjali’s Zeit waren es ausschließlich Männer, die sich ganz ausschließlich dem Yogaweg widmen konnten. Nicht zu vergleichen mit der heutigen Zeit und dem hohen Frauenanteil unter den Yogis. Die Art des Übens war ebenfalls eine ganz andere – der Hatha Yoga existierte noch gar nicht.

In unserem modernen, weiblich geprägtem Yoga-Kontext sehe ich die westliche Sicht auf Diäten eher kritisch. In den Medien geht es viel zu selten um den inneren Weg hin in die Freiheit und mehr um einen äußerlich jungen, schlanken und sehr beweglichen Körper. Durch den Hype der letzten Jahre wurde Yoga leider häufig darauf reduziert.

Die Folgen, vor allem für uns Frauen, sind u.a. solche Gedanken. Vielleicht kennst du sie oder ähnliche Sätze:

  • „Bevor ich mit Yoga beginne, muss ich erst XX kg abnehmen.“

  • „Ich bin so unbeweglich, da muss ich erst selbst aktiv werden.“

  • „Ich bin zu alt für Yoga.“

  • „Ich bin nicht beweglich genug, um Yoga zu unterrichten.“

  • „Ich schäme mich für meinen Körper. Da kann ich nicht in einen Kurs gehen.“
Frau in schwarzer Sportunterwäsche, die sich seitlich in die Taille greift - Speckröllchen

Lauter Gedanken, die uns mehr von den eigentlichen Zielen des Yoga entfernen.

Sie erzeugen Scham und Selbstzweifel und sind schlicht nicht wahr!

Sie bringen uns aus der Balance und dafür sorgen, dass wir:

  • Diäten ausprobieren,

  • Konsumieren (z.B. Diätprodukte, Fitnessartikel, Ratgeber),

  • Uns selbst abwerten und schwächen

  • Und unsere Bedürfnisse nicht ernst nehmen.

Gleichzeitig kann diese Denkweise das Vergleichen mit anderen und Konkurrenzdenken unter Frauen stärken und so jede einzelne schwächen.

Insgesamt eine fatale Situation, die mich sehr nachdenklich und auch wütend macht. Doch was tun? Wie kann uns die Yogaphilosophie aus diesem Dilemma helfen?

Weitere Empfehlungen des Yoga Sutras

Glücklicherweise bietet die Yogaphilosophie zahlreiche Ansätze, aus diesem Denken auszubrechen und die einzelnen Aspekte dürfen auch aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden.

Probiere doch mal folgenden Ansatz bei der Entscheidung für oder gegen eine Diät:

Neben Tapas finden wir in den Niyamas auch Svadhyaya, die Selbstreflexion. Bevor du eine Diät beginnst, darfst du nach Innen lauschen: was ist deine Motivation für die Diät? Willst du das tatsächlich selbst, z.B. aus gesundheitlichen Gründen oder weil du dich im Moment nicht wohl fühlst oder weil du einem äußeren Bild nacheiferst? Mit Svadhyaya ist es möglich, die eigene Wahrheit zu finden und entsprechend danach zu handeln. Hier geht es nicht um eine äußere Bewertung: das, was für dich richtig und wichtig ist, zählt.

Eine der wichtigsten und grundlegendsten yogischen Empfehlungen ist Ahimsa, die Gewaltlosigkeit. In ihrer radikalsten Form uns selbst gegenüber: die Selbstliebe. Ich weiß, dass die Selbstliebe häufig mit Zweifeln und Schwierigkeiten belastet ist (ein Satz zum Testen, wie fühlt sich „Ich liebe mich selbst.“ für dich an).

Ein leichterer Ansatz wäre, dir vorzustellen, wie deine liebste Freundin mit dir oder du mit ihr reden würdest. So erfährst du recht schnell, wo deine innere Wahrheit liegt.

gedruckter Text mit Trockenblumen: love yourself

Ein besseres Beispiel für Tapas: Disziplin in deiner Selbstfürsorge

Wie wäre es statt Askese mit Disziplin in Sachen Selbstfürsorge und positivem Denken. Unser Gehirn ist evolutionsbedingt so gestrickt, dass es auf positive Erlebnisse eher wie Teflon reagiert (perlen ab) und bei negativen Dingen wie Klettband (haften an). Die Analogie stammt von dem Neurobiologen Rick Hanson (Buch: Das Gehirn eines Buddhas) und trifft meiner Meinung nach den Nagel auf den Kopf.

Probiere doch mal einen oder ein paar Tage aus, dich mehr dem Positiven zuzuwenden. Deine Bedürfnisse höher zu priorisieren als z.B. das perfekt aufgeräumte/geputzte zuhause.

Frau mit Notizbuch und Kugelschreiber auf dem Schoß, fängt gerade an zu schreiben
Journaling - bring deine Gedanken zu Papier

Sehr hilfreich bei der Gedankenhygiene kann ein Notizbuch zum Journaling sein, in das alles reindarf, was auftaucht, insbesondere in Bezug auf deinen Körper. Es geht nicht darum, negatives auszublenden und zu verdrängen, sondern ihm nach und nach die Gewichtung und Bedeutsamkeit zu entziehen. Mit dem Aufschreiben der Dinge, für die du dankbar bist, kannst du die positiven Erfahrungen und Gedanken stärken.

Und dann finde deinen Weg. Egal ob mit oder ohne Diät. Entscheidend ist das, was dich mental und körperlich stärkt, gesund hält und positiv stimmt.

Falls du dich beim Lesen gefragt hast: Für meine Kurse brauchst du weder Diät, eine bestimmte Figur oder superflexiblen, jungen Körper. Es reicht eine einfache Yogamatte, deine Neugier und Freude an Bewegung in einer Gruppe, die sich gegenseitig stärkt und unterstützt. Ich bin sehr froh, dass meist alle Altersgruppen zwischen 20 und 75+ vertreten sind.

Nachdem wir gemeinsam geübt hatten, war in der oben erwähnten Yogastunde übrigens keine Rede mehr von irgendwelchen Diäten. Ich durfte in entspannte, friedliche und lächelnde Gesichter blicken.

Gruppe von Frauen in Meditationssitz
neulich in der Yogastunde

Jetzt bin ich neugierig

Was ist dein Verständnis von Tapas? Wie siehst du das Thema Diäten?

Teile gerne deine Gedanken zu dem Thema in den Kommentaren. Ich freue mich sehr über deine Rückmeldung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Natarajasana im Wald
Jahreskreis
Elisabeth

Weltyogatag 2024 – traditionell oder individuell?

Der Weltyogatag beruht auf dem Wunsch, das Bewusstsein für die Wichtigkeit gesundheitsfördernder Entscheidungen in der Bevölkerung zu verankern. Yoga zeigt einen Weg auf, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen und die individuelle Gesundheit ganzheitlich zu fördern. Und diese Kernbotschaft soll am Weltyogatag vermittelt werden. Der Zugang zum Yoga üben soll an diesem Tag niederschwellig sein, die Kosten mit freiwilligen Beiträgen gedeckt werden.
Mehr dazu und meine Praxis an dem Tag erfährst du im Blogtext.

Weiterlesen »
Meeresrauschen an der Costa Paradiso
Yogaphilosophie
Elisabeth

Außerhalb der Komfortzone – gewinne Mut und Vertrauen mit Yoga

Rums! Ich höre einen lauten Schlag und werfe rasch einen Blick in den Rückspiegel. „Jungs, ich muss Gas geben. Wir werden verfolgt!“ Zu mehr Worten bin ich in dem Moment nicht fähig, mein Puls beschleunigt sich in ähnlichem Maße wie mein VW Bus. Wenige Sekunden zuvor ist etwas Schweres (vermutlich ein Stein) mit lautem Knall gegen die Beifahrertür gekracht und nun kommt von hinten ein schneller PKW, der mir ununterbrochen Lichthupe gibt und dicht auffährt.

Weiterlesen »