Kalyana Yoga

Es gibt Tage, da fängt es vor meiner inneren Sonne einfach so an zu tröpfeln. Ein doofer Gedanke folgt auf den anderen. Kleine bis mittelgroße Wolken ziehen sich zusammen.

unscharfe Sicht durch eine verregnete Autoscheibe
unscharfe Sicht durch eine verregnete Autoscheibe

negative Gedanken

„Ich bin nicht gut genug.“

„Ich bin zu zerstreut/untalentiert/dick/…“

„Ich würde so gerne, aber ich kann das nicht.“

 

Oder mein Körper gibt mir das Signal, „hey, mach heute mal langsam, hier sind ein paar Kopfschmerzen – einfach so“. Aber mein Geist hat Pläne, was er heute alles erledigen will und ist frustriert.

„Allen anderen geht es gut, nur du hängst hier zu Hause rum.“

Blick in den wolkenverhangenen Himmel
Blick in den wolkenverhangenen Himmel

Kleine Signale, die im ersten Moment unangenehm sind, mich aber dennoch (meist) inne halten lassen: was kann ich jetzt für mich tun? Oder auch, was kann ich sein lassen?

Es fällt mir jetzt in diesem Moment leicht, mir Gedanken über Selbstfürsorge zu machen, da es mir ganz gut geht und ich mich wohl fühle. Viel schwerer fällt es mir, in einem Stimmungstief zu entscheiden, was denn gut wäre.

Daher nutze ich den Moment und schreibe ein paar Worte für Regentage, gegliedert nach unterschiedlichen Wetterlagen. Für mich selbst und gerne auch für dich.

Ganz wichtig: ein Blogartikel reicht nicht aus, um dieses umfangreiche Thema der negativen Gedanken komplett zu erfassen. Nimm ihn als Einladung, weiter ins Erforschen für dich selbst zu gehen.

Nebel über hügeligen Feldern am Waldrand bei Weißenhorn
Nebel über hügeligen Feldern am Waldrand bei Weißenhorn

Eine Wolke schieb sich leicht vor die Sonne

Was kann ich tun, wenn ich einzelne negative Gedanken bemerke?

Körper, Seele und Geist sind über den Atem eng miteinander verbunden. Dieses Wissen kannst du nutzen, wenn du feststellst, dass sich deine Gedanken verfinstern. Ganz so wie Charlie Brown in dem Comic über die deprimierte Haltung. Er steht da und lässt den Kopf hängen, denn „…wenn du etwas von deiner Niedergeschlagenheit haben willst, musst du so dastehen.“ 

Aus dem Grund wähle jetzt – anders als Charlie – eine äußere Haltung, die sich positiv auf deine innere Haltung auswirkt: eine aufrechte Standhaltung, die dich in Bewegung bringt. Denn Bewegung im Körper lässt auch die Gedanken wieder fließen und nicht erstarren. 

Eine einfache Übung, um negative Gedanken loszulassen (1 Minute)

Stelle dich gleichermaßen auf beide Füße, spüre den Boden unter dir und konzentriere dich auf den Atem. Mit dem Einatem verlagere das Gewicht langsam nach vorne auf die Zehen und hebe die Fersen leicht an, mit dem Ausatem kehren die Fersen auf den Boden zurück. Mit einem der nächsten Atemzüge hebe die Arme gleichzeitig mit den Fersen über vorne nach oben an und senke sie wieder. Nach ca. 5 Runden spüre der Übung nach. Wie geht es dir jetzt? Was hat sich verändert?

Ich habe bei der Übung meist das Gefühl, dass ich nach vorne falle. Manchmal fange ich auch an zu schwanken, das ist ok. Einfach nochmal probieren 😉

Falls du dir mehr Zeit nehmen kannst, rolle deine Matte aus und übe z.B. diese Yogaübungen für Klarheit bzw. klare Gedanken.

Licht und Schatten - düstere Waldstimmung
Licht und Schatten - düstere Waldstimmung

Der Himmel wird dunkler und es beginnt zu regnen

Wie komme ich aus negativen Gedanken heraus?

Ganz heimlich und still passiert es manchmal, dass sich negative Gedanken anhäufen. Nicht immer bemerke ich gleich, wenn es passiert. Meist ist es der Rückblick auf einen Tag mit der Erkenntnis, dass trübe Gedanken da waren, Selbstzweifel oder Unsicherheit, Unlust auf etwas, was mir sonst Freude bereitet und unangenehme Gefühle mit sich bringt.

Dann hilft mir folgende Übung: den Atem beobachten, nicht beeinflussen und ihn in meiner Vorstellung ganz tief und lang werden lassen. 

Auch wenn du nicht bewusst aktiv eingreifst, vertieft sich der Atem. Der Gedanke oder auch das daraus entstehende Gefühl lass los (wenn möglich) oder anders: lasse es einfach sein, akzeptiere dass es da ist. 

Wenn das sein lassen nicht so einfach gelingt, hilft evtl. ein Notizbuch und Journaling (freies Schreiben der Gedanken ohne etwas zurück zu halten) oder ein Spaziergang in der Natur (erinnere dich an Charlie Brown). Spazieren gehen lässt nicht nur den Körper gleichmäßig schwingen, sondern auch unser Gehirn. Das Los- oder Seinlassen von Gedanken gelingt mir beim Spazieren gehen noch leichter.

Warum werden negative Gedanken immer mehr?

Um das zu verstehen, habe ich lange gesucht und vor einiger Zeit ein sehr hilfreiche Bild gefunden. Der Neurobiologe Rick Hanson erklärt: auf positive Gedanken reagiert unser Gehirn wie Teflon, auf negative Gedanken wie Klettband. 

Kein Wunder, dass negative Gedanken oder auch Glaubensätze aus der Kindheit (z.B. „Ich bin nicht gut genug.“) solche Kräfte und manchmal auch ein Eigenleben entwickeln können. 

Das zeigt aber auch: es geht uns allen ähnlich, unsere Gehirne haben sich evolutionär so entwickelt, dass Negativem der Vorrang gegeben wird. 

Negative Gedanken klettern sich gerne an weitere negative Gedanken und lösen eine Kettenreaktion aus, wenn ich es nicht bemerke und inne halte.

nebliger Waldweg mit düsterer Stimmung
nebliger Waldweg mit düsterer Stimmung

Der Regen hört nicht mehr auf, die Sonne ist über längere Zeit nicht mehr sichtbar und auch nicht spürbar

Was kann ich tun, wenn die negativen Gedanken nicht mehr zu stoppen sind?

Sehr dunkle Tage und Wochen hatte ich schon in mehrmals in meinem Leben, es fühlte sich so an, als würden sie nie mehr enden. Ein endloser Kreislauf. Ausgelöst durch eine plötzlich veränderte Lebenssituation, ein unerwartetes, unangenehmes Ereignis aber auch mal ganz ohne ersichtlichen äußeren Grund. Ich bin sehr dankbar, dass ich auf unterschiedliche Weise immer wieder meinen Weg herausgefunden habe und es Menschen um mich gab und gibt, die mir dabei geholfen haben.

wolkenverhangener dunkler Himmel
wolkenverhangener dunkler Himmel

Wenn sich derart dunkle Wetterereignisse ankündigen, erinnere dich an folgendes:

Egal welche Form von Gedanken sich jetzt zeigen, vergiss niemals:

du bist wichtig! 

Dein Wohlbefinden ist wichtig! 

Glaube nicht alles, was du denkst – nicht jeder Gedanke ist wirklich wahr. 

Manchmal bekommen sie jedoch eine unausweichliche Kraft, der man sich alleine nur schwer entziehen kann.

Wenn deine mentale Wetterlage im Moment anhaltend so düster aussieht und du keinen Weg zur Veränderung siehst:

bitte um Hilfe!

 

Freunde, Familie, deine Nachbarin, ein enger Arbeitskollege, trau dich! Wenn es beim ersten Mal nicht klappt, versuche es wieder und gib nicht auf! Auch deine Sonne ist noch da und wartet auf dich.

„Was war das Tapferste, was du je gesagt hast?“ fragte der Junge im Buch „Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd“ von Charly Mackesy. „Hilfe“, sagte das Pferd.

Morgendunst an einem Novembermorgen
Morgendunst an einem Novembermorgen

Welttag für psychische Gesundheit - World Mental Health Day

Ich veröffentliche diesen Text kurz vor dem 10. Oktober, dem Welttag für psychische Gesundheit. Ich finde es großartig, dass es jedes Jahr diese Erinnerung gibt, denn es wird endlich Zeit, psychische Erkrankungen aus der Scham-Ecke herauszuholen.

Ich möchte an dieser Stelle auch mit einem weit verbreiteten Yoga-Klischee aufräumen: YogalehrerInnen sind stets gesund, jung, schlank, immer top fit und bestens gelaunt. Dann wäre Yoga die Antwort auf alle gesundheitlichen Probleme für jeden – viel zu pauschal und einfach gedacht.

Was sich verändert beim Yoga-Üben ist die innere Haltung gegenüber mir selbst und meiner Gesundheit. Von Mal zu Mal lerne ich, besser für mich zu sorgen, achtsam zu sein und gute Entscheidungen zu treffen. Auch hier gibt es aufs und abs. 

Einfach ist es nicht, aber es lohnt sich, dranzubleiben. 

Das wertfreie Beobachten der eigenen Gedanken ist ein wesentlicher Bestandteil der Yogapraxis. Yoga bietet unterschiedliche Werkzeuge, um negative Gedanken wieder loszulassen.

Regenbogen nach Gewitter an Bergsee
Regenbogen nach Gewitter an Bergsee

Was ich mir wünsche

Das Yoga Sutra lehrt gleich zu Beginn des Achtgliedrigen Pfades einen ganz wesentlichen Wert (Yama): Satya – die Wahrhaftigkeit. Wenn mir bewusst wird, dass sich mehrere Wolken vor meine innere Sonne schieben und ich wahrhaftig und ehrlich mit mir umgehe, kann ich passend darauf reagieren. 

Ich wünsche mir, dass noch mehr Yogaübende und -Lehrende bewusst im Sinne von Satya authentisch handeln und kommunizieren, statt permanente (toxische) Positivität für sich zu beanspruchen. Dann wird dieses Klischee hoffentlich irgendwann verschwinden. Lasst uns alle mehr Satya in diese Welt bringen. Ich denke, das würde viel Gutes bewirken.

Was denkst du zu dem Thema? Möchtest du etwas ergänzen? Dann schreibe unten sehr gerne einen Kommentar.

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