Kalyana Yoga

Yoga und die Zeit der Rau(h)nächte

tiefstehende Sonne zwischen Fichten

 

die Sonne „zwischen den Jahren“

Wer ab dem Spätherbst eine Buchhandlung betritt, kommt kaum an ihnen vorbei – die Rauhnächte. In den vergangenen Jahren sind immer mehr Bücher erschienen, die sich mit der Zeit „zwischen den Jahren“ und damit verbundenen Ritualen beschäftigen. Auch online finden sich mehr und mehr Angebote. Daher möchte ich hier keine unnötige Wiederholung liefern und erhebe auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit dieses doch sehr vielseitigen Themas. Mit dem Text möchte ich nach einer kurzen Übersicht meine Empfehlungen für die Weihnachtszeit an dich weitergeben und eine Verbindung zur Yogapraxis herstellen, also Yoga und Rau(h)nächte: Empfehlungen zur Übungspraxis und Ritualen. Damit du Lust bekommst, dich dir selbst und deinem Wohlbefinden in dieser Zeit zu widmen. Für mich ist diese Zeit im Jahr besonders und ich nutze sie seit vielen Jahren zum bewussten Innehalten und Kraft tanken.

Rauhnächte – was ist das eigentlich?

Als Rauhnächte oder auch Raunächte werden die zwölf Nächte zwischen Heiligabend und dem Dreikönigstag bezeichnet (Differenz zwischen Sonnen- und Mondkalender). Ein alternativer Zeitraum ist die Zeit zwischen der Wintersonnenwende (21.12. und dem 3.1.). Die Begriffsherkunft ist nicht eindeutig. Vermutet wird der Ursprung in „Räuchern“ oder „Rauchen“ (ein beliebtes Ritual), „Raunen“ (mit leiser Stimme geheimnisvoll sprechen) bzw. „rau, grob und unwirtlich“. Jede dieser zwölf Nächte steht symbolisch für einen Monat des kommenden Jahres: 24./25.12. = Januar, 25./26.12. = Februar, usw.. Es gibt beide Schreibweisen, mit und ohne „h“: Raunächte und Rauhnächte.

Versetze dich in die Zeit unserer Vorfahren: kein elektrisches Licht, keine Zentralheizung und engere Verbindung zu den Geschehnissen in der Natur, der Kälte des Winters, der Dunkelheit. Wie haben die Menschen die Zeit vor und nach Weihnachten wohl erlebt?

tiefstehende Sonne zwischen Fichten

 

tiefstehende Sonne zwischen Fichten

Ich finde es nicht verwunderlich, dass die Menschen mehr zur Natur hin spürten und daraus Rituale entwickelt haben, um sich selbst zu helfen. Die Natur, symbolisch die große Göttin gebiert in Form der Wintersonnenwende das Licht, das uns ins neue Jahr hineinträgt. Gerade in unserer heute so hektischen Zeit finde ich dieses Bild so hilfreich: das Ende des Jahres steuert auf diesen Tag zu, die Tage werden immer kürzer bis hin zum dunkelsten Tag des Jahres am 21.12. (engl. winter solstice = Stillstand der Sonne, bevor sie „wendet“). Nicht nur die Natur hält hier inne, auch wir dürfen das tun.

Neben den Rauhnächten gibt es auch den Begriff der Sperrnächte oder Dunkelnächte (8.-20.12.). Diese Tage beschließen das vergangene Jahr. Auch hier steht jede Nacht für einen Monat, also 8./9.12. = Januar, usw.

Die Dunkelnächte beschließen das vergangene Jahr, du darfst es Revue passieren lassen und alles loslassen, was du nicht ins neue Jahr mitnehmen willst. Häufig wird vor Weihnachten geputzt und alles in Ordnung gebracht. Doch wie sieht es mit deiner inneren Ordnung aus? Vielleicht brauchst du noch ein klärendes Gespräch mit einem lieben Menschen oder das gedankliche Lösen von einem Erlebnis in diesem Jahr, das dich noch beschäftigt? Vielleicht kannst du auch mit Dankbarkeit auf schöne Erlebnisse zurückblicken? Nimm dir Zeit zum Innehalten.

Die Rauhnächte ebnen anschließend den Weg ins neue Jahr, hier darfst du lauschen, orakeln und auch Samen säen, was du dir fürs neue Jahr wünschst. Der Wendepunkt, zwischen Dunkel- und Rauhnächten, die Geburt des neuen Lichts, ist symbolisch die Wintersonnenwende am 21.12..

Mit der Zeit „zwischen den Jahren“ ist auch viel Aberglaube verbunden: z.B. die Arbeit soll gänzlich zur Ruhe kommen, sonst passiert etwas Schlimmes. Keine Wäsche darf hängen (eine Ermahnung, die ich noch von meiner Oma kenne), keine Räder sich drehen, unheimliche Gestalten sollen im Dunkeln ihr Unwesen treiben …  Das sehen wir auch heute noch bei den Perchtenläufen im Allgäu. Sollte man sich also eher vor dieser Zeit fürchten?

Dabei ist Perchta, die Gestalt, die den Perchtenläufen ihren Namen gibt, ursprünglich die Göttin der Wintersonnenwende und steht für das Element Luft und die Natur in tiefster Winterruhe. Sie ist Teil des Ganzen und keine unheimliche Schreckgestalt. Der Name bedeutet „die Leuchtende“. Eine weitere mythologische Figur bzw. Göttin ist Frau Holle, die ebenfalls in den Rauhnächten erscheinen kann.

Sonne zwischen verschneiten Bäumen

 

Sonne im Winterwald

Empfehlenswerte Rituale

Hier kommen ein paar Empfehlungen für Rituale, die für mich in den letzten Jahren sehr wertvoll geworden sind. Dabei geht es nicht darum, ein Programm zu absolvieren, sondern vielmehr etwas auszusuchen, was für dich passt oder dich inspirieren zu lassen, etwas ganz Eigenes zu entwickeln. Bei mir haben sich die Rituale über die Jahre immer wieder verändert. Die zentrale Frage ist dabei: Was tut mir wirklich gut? Was lasse ich lieber, weil es unnötigen Stress verursacht? Es geht also um mich selbst und nicht die äußere Form.

  • Wintersonnwendfeuer
    Seit einigen Jahren entzünden meine Kinder und ich am 21.12. abends ein Feuer im Feuerkorb. Alles, was wir aus dem alten Jahr nicht mitnehmen möchten, schreiben wir auf kleine Zettel und verbrennen diese. Meine Eltern und Freunde kommen vorbei, es gibt Punsch, Lebkuchen und nährende Gespräche.

  • 13 Wünsche
    Nimm dir ein paar Minuten Zeit und notiere auf 13 kleinen Zetteln (Losen) Wünsche für das neue Jahr. In jeder Rauhnacht ziehst du ein Los und verbrennst es möglichst vollständig. Das übrige 13. Los ist deine persönliche Aufgabe im kommenden Jahr.
    Ich habe diese Technik in einigen Jahren durchgeführt – es funktioniert wirklich!

  • Räuchern
    Für mich darf das Räuchern in den Rauhnächten nicht fehlen. Am liebsten auf dem Räucherstövchen. Sehr gute Räucherware gibt es in Ulm bei Duft und Wärme.

  • Traumtagebuch/Journaling
    Träume sind ein sehr spannendes Feld, nicht nur in den Rauhnächten. Es lohnt sich, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken, wenn auch nicht zu viel hineinzuinterpretieren. Dazu kannst du dir ein schönes Notizbuch vorbereiten und direkt nach dem Traum diesen notieren (auch in der Nacht 😉). Häufig räumt unser Gehirn nur auf, aber manchmal gibt es ganz einzigartige Bilder, die dich staunen lassen.
    Der klassische Yoga nach Patanjali empfiehlt auf dem achtstufigen Pfad svadhyaya, die Selbstreflexion oder das Studium der (Yoga-)Schriften. Dein Traumtagebuch kann eine schöne Basis sein, hier einzusteigen und dich selbst besser ennen zu lernen.
    Falls dir ein normales Tagebuch mehr liegt, kannst du ebenso die Tagesereignisse notieren (unzensiert) und frei drauf los schreiben (journaling).

  • Orakelkarten – Vorausschau
    Ich ziehe jeden Tag für den jeweiligen Monat des kommenden Jahres eine Karte und notiere mir die Qualität der Karte im neuen Kalender. So habe ich im neuen Jahr bei jedem Monatswechsel die Erinnerung.

  • Die Natur beobachten
    Spaziergänge in der Natur sind sehr wohltuend, nicht nur zwischen den Feiertagen. Vielleicht ist es eine schöne Einladung für dich, bewusster zu erleben und z.B. den Himmel zu beobachten und ganz besonders den Stand der Sonne, dem neugeborenen Licht.

schneebedeckte Baumwipfel

 

schneebedeckte Baumwipfel

Ich arbeite in der Zeit der Rauhnächte, wie kann ich zur Ruhe kommen?

Viele Ratgeber gehen davon aus, dass der/die Leser*in zwischen den Jahren viel Zeit zur Verfügung hat und sich ganz sich selbst widmen kann. Es gibt zahlreiche Berufe, die das nicht erlauben. Vielleicht bist du auch Mama kleiner Kinder oder pflegst ein Familienmitglied. Was nun?

Vor einigen Jahren, meine beiden Jungs waren gerade 5 und 2, bekamen die beiden kurz vor Heiligabend eine akute Magen-Darm-Grippe. Der Empfehlung, den Haushalt und insbesondere die Wäsche einfach mal ruhen zu lassen, konnte ich natürlich nicht folgen. Ich pendelte zwischen Putzen, Waschmaschine und Trockner. In der Zeit habe ich dennoch versucht, kleine Momente für mich einzuschieben. Bewusst zu atmen, draußen zu räuchern (verträgt sich im Haus nicht mit kleinen kranken Kindern), 10 Minuten auf die Matte zu gehen und meine Gedanken ein wenig zu Papier zu bringen. Indem ich diese kleinen Momente intensiv für mich genutzt habe, bargen diese Rauhnächte dennoch erholsame Augenblicke, die ich mit ins neue Jahr nehmen konnte.

Wenn du also wenig Zeit hast, dann nutze diese umso besser. Fühle hin, was dir besonders guttut. Schließ die Augen und spür in dein Herz. Bei welchem Gedanken entsteht ein Lächeln in deinem Gesicht? Es lohnt sich, dir die Zeit für dich zu nehmen.

Wichtig ist, dass du dein persönliches Ritual regelmäßig, evtl. sogar immer zur gleichen Tageszeit machst. Damit kannst du auch einen Samen sähen, um vielleicht eine unliebsame Gewohnheit zukünftig zu verändern.

blauer Himmel über verschneiten Bäumen

 

blauer Himmel über verschneiten Bäumen

Yoga und Rauhnächte

Für mich gibt es zwischen Yoga und den Rauhnächten mehrere Anknüpfungspunkte. Zwar stammt Yoga nicht aus unserem Kulturkreis, aber dennoch zeigt sich in den ursprünglichen Verbindungen zu einer matriarchalen Zeit (Göttinnen wie Perchta und Holle) Parallelen zu den Gottheiten der indischen Mythologie. Beispielsweise erinnert mich die Charakteristik von Perchta an die indische Kali.

Die Polarität Dunkelheit – Licht ein zentraler Aspekt der Rauhnächte. Yoga, insbesondere Tantra beschäftigt sich mit den Polaritäten, denen wir im Leben begegnen. Yoga strebt hier ein „sowohl als auch an“, also eine Balance oder Gleichgewicht. Starkes Streben, in die eine oder andere Richtung, kann zu Unwohlsein führen oder auch Leid verursachen. Wenn ich hier beim Beispiel Dunkelheit – Licht bleibe: zu viel Dunkelheit, Rückzug kann zu düsteren Gedanken führen – zu viel Licht, immer positiv und aktiv bleiben kann dazu führen, dass ich Wichtiges übersehe oder mich überfordere. Es kann also in den Rauhnächten eine schöne Übung sein, in diese Polarität hineinzuspüren und die Eigenschaften beider Pole für dich persönlich zu untersuchen.

Erinnere dich an den oben erwähnten Aberglauben: durch die Überzeugung, etwas hätte auf eine bestimmte Art und Weise zu geschehen, wird einerseits Angst geschürt, andererseits aber auch Sicherheit versprochen, wenn auf eine bestimmte Art und Weise gehandelt oder nicht gehandelt wird. Zwei gegenseitige Pole (Sicherheit = gut fühlen und Angst = schlecht fühlen). Ich denke, dass ein klein wenig Aberglaube (z.B. einen Glücksbringer nutzen) uns nicht schadet, im Gegenteil. Aber wenn ich mich zu sehr an diese Überzeugungen klammere, lenke ich mich womöglich vom Wesentlichen ab oder verfalle in Angst.

Glücklicherweise sind wir den Polaritäten nicht nur ausgeliefert, sondern können sie im Jahreskreis in immer wieder wechselnden und wiederkehrenden Rhythmen spüren. Auch unser Körper unterliegt diesen natürlichen Rhythmen der Natur. Bei Frauen ist der monatliche Zyklus eine weitere enge Verbindung.

Die Hatha Yoga Praxis stellt unseren Körper in den Mittelpunkt. Durch die Arbeit mit unserem Körper können wir (wieder) in Verbindung mit der Natur kommen, zur Ruhe und bei uns selbst ankommen. Die Rauhnächte laden genau dazu ein, daher ist Hatha Yoga ein schönes Ritual zu dieser Zeit. Empfehlen würde ich dir für diese Zeit Asanas, die dich in die Ruhe führen, z.B. Pashcimottanasana (sanfte sitzende Vorbeuge) oder Kurmasana (Schildkrötenhaltung).

 

Wenn du mit mir üben möchtest, findest du hier ein Video, das ich vor ein paar Jahren aufgenommen habe. Du brauchst ca. 1 Stunde Zeit fürs Üben.

 

Hier findest du ein Inspirationsvideo (ca. 10 Minuten), das ich am 1.12.23 im Wald aufgenommen habe.

 

Abschließend kommen hier noch ein paar Buchempfehlungen bzw. Quellen:

  • Nayoma de Haen: Das Mysterium der Raunächte, Koha Kompakt
  • Joanne Foucher: Unsere heimischen Göttinnen neu entdecken, Neue Erde
  • Valentin Kirschgruber: Das Wunder der Rauhnächte, Kailash

Orakelkarten:

  • Isabel Arés: Das Orakel der indischen Götter, Allegria
  • Rider Waite Tarot, Königsfurt Urania

Wenn du dir eines der Bücher oder Kartensets besorgen möchtest, denke an den lokalen Buchhandel. Das ist nicht nur fair, sondern in vielen Fällen auch schneller. In Weißenhorn kannst du Bestellungen in der Regel am Folgetag abholen.

 

Möchtest du live mit mir Yoga üben? Dann geht es hier zu den aktuellen Kursterminen.

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